«So entsteht Musik,
die berührt und bewegt.»
Unser Dirigent erläutert, was ihm musikalisch, chorpädagogisch und zwischenmenschlich wichtig ist für seine Aufgabe als Chorleiter, wie er dabei vorgeht und wie sich der Chor im Lauf der Jahre entwickelt hat und weiter verbessern könnte.
Interview Walter Roth
Beim chorischen Einsingen und auch mit allen Anweisungen während der Proben ist es unmöglich, «einzelne Stimmen» spezifisch zu schulen. Förderung aber ist dennoch möglich: den Körper optimal gespannt, mit vielen Tricks Höhen und Tiefen bewältigend, Vokal- und Lagenausgleich beherzigend, die eigene Stimme findend und sie nicht zu etwas Uneigenem zwingend, damit sie schliesslich ausdrucksstark werden kann. So dass die Stimme ohne unnötige Hindernisse das zu erzählen und vermitteln vermag, was echt empfunden wird – dies ist erstaunlicherweise weitgehend möglich.
Wie bereitest du eine Chorprobe vor?
Das Vorbereiten einer Probe braucht – bei mir – etwa gleichviel Zeit wie die Probe selbst. Dabei schätze ich ab, zu welchen Leistungen der Chor fähig ist, wo die Stimmen qualitativ stehen und was ihnen – aus pädagogischer Sicht und unter Berücksichtigung der Stimmung im Chor – wohl gerade am besten tut. Ich bespreche jede Probe mit mir selbst nach, . . . so kann ich Korrekturen anbringen, damit ich möglichst weder über- noch unterfordere; denn ein Chor wird frustriert, wenn von ihm übermässig viel erwartet wird. Aber er schafft nur, was man von ihm auch verlangt.
Wie hat sich der Chor unter deiner Leitung entwickelt?
Schon zu Beginn meiner Dirigententätigkeit im Konzertchor kamen mir wunderbare Klänge entgegen. Mir war viel geschenkt. Dass ein Chor immer weiterkommen kann, stimmt indessen nur bedingt. Es singen Laienstimmen, wenngleich versierte, mit gewissen Grenzen. Und wir alle werden täglich älter. Die Chormitglieder kommen – und sie gehen auch irgendwann wieder. Neue Stimmen müssen zuerst begreifen, welchen Chorklang der Dirigent anstrebt, und wie man diesen erzeugen kann. Der Konzertchor entwickelte sich aber natürlich dennoch: die Stimmen gestalten die Musik mit erstaunlicher Modulationsfähigkeit, sie hören immer sensibler aufeinander, machen Fortschritte im Pianosingen, sprechen deutlicher aus und nutzen ihren ganzen Gesangskörper, was die Resonanz und somit den Klang sich entfalten lässt. Darüber hinaus scheint mir eine seelische Entwicklung eminent wichtig zu sein. Der Chor zeigt immer mehr Mut im Ausdruck, wagt in musikalischer Hinsicht, sich direkter und persönlicher zu engagieren und zeigt eine Selbstsicherheit, die nur gesund sein kann, wenn in aller Demut gesungen wird. Dazu gehört das Wissen, dass wir uns immer steigern, verbessern und entwickeln können, wie jeder andere Chor auch. Denn der Chor setzt sich schlicht und einfach lediglich aus Menschen zusammen.
Was liegt dir bei der Musikinterpretation für unsere Zuhörer am meisten am Herzen?
Zum einen eine gewisse Epochentreue – soweit der Chor dies auch kann und sofern die Interpretation das mir Wichtigste dabei nicht schmälert: dass wir so musizieren, dass zuhörende Herzen tief berührt und bewegt werden, in eine Richtung, die uns allen im Alltag zugutekommt. Denn ich bin der Ansicht, dass die Musik für den Menschen geschaffen wurde – und nicht umgekehrt. Dies schenkt mir gewisse Freiheiten in der Interpretation der Werke. Denn erst da, wo ein Klang irgend auf die Liebe hinweist, etwa Versöhnung oder Trost erwirkt, da beginnt er für mich, Musik zu werden. Und ich will ausschliesslich mit solcher Absicht musizieren.
Fast alle neigen wir dazu, in grösserer Gemeinschaft gewisse Wege etwas träge zu erwandern. So erlebe ich’s auch in der Musik. Ja – wir proben zwar sehr gewissenhaft und äusserst konzentriert –, aber man mag nicht täglich praktisch beliebig weit über sich selbst hinauswachsen. Und genau das passiert in einer Konzertwoche: Die meisten Mitwirkenden wagen im Voraus kaum zu ahnen, dass sie gesanglich und musikalisch zu solchen Leistungen überhaupt fähig sind, wie sie diese an den Konzerten zu zeigen vermögen. Entsprechend fulminant und innig sind dann auch die Erfahrungen beim Musizieren, und zwar nicht nur für die Singenden, auch für mich als Dirigenten – als würde sich ein Fenster zum Himmel auftun, sodass wir für einen kurzen Moment hineinschauen dürfen. Und wer diesen Blick ein wenig in den Alltag mitnimmt und nie ganz vergisst, der spürt, dass Musik uns verändert und, so hoffe ich, zum Guten hin!
Es ist seit je unser Ziel, musikalisch hochstehende Konzerte zu veranstalten.
Bei der Werkauswahl achtet unsere Musikkommission sehr darauf, eher selten aufgeführte Werke auszuwählen. Grossen Wert legen wir auch auf die Auswahl unserer Solisten und Orchester – durchwegs professionelle Sängerinnen, Sänger und Musiker.
Als ausgebildeter Bariton legt Martin Messmer grosses Gewicht auf die Stimmbildung: In all den Jahren war kein Einsingen gleich. Kommen in der Probe Koloraturen dran, so fliesst das ins Einsingprogramm hinein. Sind es schwierige Harmoniewechsel, dann werden solche geübt, und geht es um den Vokalausgleich, singen wir auch mal «Der Mond ist aufgegangen» ohne Konsonanten.
Unser Dirigent erläutert, was ihm musikalisch, chorpädagogisch und zwischenmenschlich wichtig ist für seine Aufgabe als Chorleiter, wie er dabei vorgeht und wie sich der Chor im Lauf der Jahre entwickelt hat und weiter verbessern könnte.
Interview Walter Roth
Beim chorischen Einsingen und auch mit allen Anweisungen während der Proben ist es unmöglich, «einzelne Stimmen» spezifisch zu schulen. Förderung aber ist dennoch möglich: den Körper optimal gespannt, mit vielen Tricks Höhen und Tiefen bewältigend, Vokal- und Lagenausgleich beherzigend, die eigene Stimme findend und sie nicht zu etwas Uneigenem zwingend, damit sie schliesslich ausdrucksstark werden kann. So dass die Stimme ohne unnötige Hindernisse das zu erzählen und vermitteln vermag, was echt empfunden wird – dies ist erstaunlicherweise weitgehend möglich.
Das Vorbereiten einer Probe braucht – bei mir – etwa gleichviel Zeit wie die Probe selbst. Dabei schätze ich ab, zu welchen Leistungen der Chor fähig ist, wo die Stimmen qualitativ stehen und was ihnen – aus pädagogischer Sicht und unter Berücksichtigung der Stimmung im Chor – wohl gerade am besten tut. Ich bespreche jede Probe mit mir selbst nach, . . . so kann ich Korrekturen anbringen, damit ich möglichst weder über- noch unterfordere; denn ein Chor wird frustriert, wenn von ihm übermässig viel erwartet wird. Aber er schafft nur, was man von ihm auch verlangt.
Schon zu Beginn meiner Dirigententätigkeit im Konzertchor kamen mir wunderbare Klänge entgegen. Mir war viel geschenkt. Dass ein Chor immer weiterkommen kann, stimmt indessen nur bedingt. Es singen Laienstimmen, wenngleich versierte, mit gewissen Grenzen. Und wir alle werden täglich älter. Die Chormitglieder kommen – und sie gehen auch irgendwann wieder. Neue Stimmen müssen zuerst begreifen, welchen Chorklang der Dirigent anstrebt, und wie man diesen erzeugen kann. Der Konzertchor entwickelte sich aber natürlich dennoch: die Stimmen gestalten die Musik mit erstaunlicher Modulationsfähigkeit, sie hören immer sensibler aufeinander, machen Fortschritte im Pianosingen, sprechen deutlicher aus und nutzen ihren ganzen Gesangskörper, was die Resonanz und somit den Klang sich entfalten lässt. Darüber hinaus scheint mir eine seelische Entwicklung eminent wichtig zu sein. Der Chor zeigt immer mehr Mut im Ausdruck, wagt in musikalischer Hinsicht, sich direkter und persönlicher zu engagieren und zeigt eine Selbstsicherheit, die nur gesund sein kann, wenn in aller Demut gesungen wird.
Dazu gehört das Wissen, dass wir uns immer steigern, verbessern und entwickeln können, wie jeder andere Chor auch. Denn der Chor setzt sich schlicht und einfach lediglich aus Menschen zusammen.
Zum einen eine gewisse Epochentreue – soweit der Chor dies auch kann und sofern die Interpretation das mir Wichtigste dabei nicht schmälert: dass wir so musizieren, dass zuhörende Herzen tief berührt und bewegt werden, in eine Richtung, die uns allen im Alltag zugutekommt. Denn ich bin der Ansicht, dass die Musik für den Menschen geschaffen wurde – und nicht umgekehrt. Dies schenkt mir gewisse Freiheiten in der Interpretation der Werke. Denn erst da, wo ein Klang irgend auf die Liebe hinweist, etwa Versöhnung oder Trost erwirkt, da beginnt er für mich, Musik zu werden. Und ich will ausschliesslich mit solcher Absicht musizieren.
Fast alle neigen wir dazu, in grösserer Gemeinschaft gewisse Wege etwas träge zu erwandern. So erlebe ich’s auch in der Musik. Ja – wir proben zwar sehr gewissenhaft und äusserst konzentriert –, aber man mag nicht täglich praktisch beliebig weit über sich selbst hinauswachsen. Und genau das passiert in einer Konzertwoche: Die meisten Mitwirkenden wagen im Voraus kaum zu ahnen, dass sie gesanglich und musikalisch zu solchen Leistungen überhaupt fähig sind, wie sie diese an den Konzerten zu zeigen vermögen. Entsprechend fulminant und innig sind dann auch die Erfahrungen beim Musizieren, und zwar nicht nur für die Singenden, auch für mich als Dirigenten – als würde sich ein Fenster zum Himmel auftun, sodass wir für einen kurzen Moment hineinschauen dürfen. Und wer diesen Blick ein wenig in den Alltag mitnimmt und nie ganz vergisst, der spürt, dass Musik uns verändert und, so hoffe ich, zum Guten hin!